Lernen im Schwarm

ETH-Studierende entwickeln in der projektbasierten Lehre Unterwasserroboter, die im Schwarm denken und handeln. Dabei lernen sie, wie Forschung, Technik und Teamarbeit zusammenwirken.

Ein Gruppenfoto, des Swarm-Teams. Im Vordergrund stehen ihre Roboter auf dem Tisch.
Das Team des Fokus-Projekts Swarm hat neue Wege der Unterwasserrobotik mit schwarmgesteuerten Robotern erforscht. (Bild: Merve Kaya / Swarm)

?Unvergesslich war jener Moment, als die drei Roboter erstmals gleichzeitig und koordiniert im Pool schwammen – der Prototyp fühlte sich pl?tzlich real an?, erinnert sich Alex Sheridan. Er war Projektmanager von Swarm, einem von insgesamt zw?lf Fokus-Projekten, die im Frühlings- und Herbstsemester 2024/25 am Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik der ETH Zürich umgesetzt wurden. Das Team entwickelte Unterwasserroboter, die nicht einzeln, sondern im Verbund agieren. ?Wenn man einen einzelnen Roboter steuert, ist das überschaubar – aber sobald mehrere miteinander interagieren, wird es wirklich spannend?, sagt Sheridan.

Wie dies funktioniert, besch?ftigt auch ETH-Professorin Melanie Zeilinger. Sie erforscht, wie sich technische Systeme sicher und zuverl?ssig steuern lassen. Selbst dann, wenn sie mit Unsicherheiten, wechselnden Umgebungen oder menschlicher Interaktion konfrontiert sind. Ihre Forschung an lernenden, datenbasierten Regelungssystemen fand im Swarm-Projekt eine konkrete Anwendung.

Die Studierenden mussten eine L?sung finden, wie sich mehrere autonome Systeme koordinieren lassen, wenn Sensorik und Kommunikation eingeschr?nkt sind. ?Unter Wasser, wo Funkwellen kaum durchdringen, ist das eine besonders anspruchsvolle Aufgabe?, sagt Zeilinger. Hinzu kommt, dass sich die Bedingungen im Wasser st?ndig ?ndern: Str?mungen, Signalverlust und Hindernisse stellten die Systeme immer wieder auf die Probe. ?Die Studierenden haben nicht nur gelernt, technische Probleme zu l?sen, sondern auch, theoretische Konzepte praktisch umzusetzen?, fügt Zeilinger an.

Zugleich zeigen Projekte wie Swarm, als Teil von Aris, einer studentischen Initiative der ETH für praxisnahe Raumfahrtprojekte, welche gesellschaftliche Bedeutung Robotik haben kann. Roboter, die in der Lehre als Prototypen entstehen, k?nnten sp?ter zur ?berwachung von Gletschern, zur Erforschung von ?kosystemen oder im Katastrophenschutz eingesetzt werden. Zeilinger betont, dass solche Projekte helfen, natürliche Lebensr?ume zu verstehen und zu schützen – und damit Forschung und gesellschaftlichen Nutzen zu verbinden. So k?nnen die drei Swarm-Roboter grosse Gebiete kartieren, Verschmutzungen im Wasser aufspüren und messen oder Bauwerke wie Brückenpfeiler unter Wasser inspizieren.

Vom Plan zum Projekt

Die Fokus-Projekte finden seit über zwanzig Jahren im fünften und sechsten Semester des Bachelorstudiengangs statt. Sie sind fester Teil des Curriculums und geh?ren zu den beliebtesten Lehrformaten des Departements. Studierende erhalten hier die M?glichkeit, theoretisches Wissen in die Praxis zu übersetzen. In Teams von fünf bis zehn Studierenden entwickeln sie über zwei Semester hinweg einen Prototyp – von der Idee über Design und Engineering bis zur Pr?sentation. Fast wie in einem Start-up. Die Studierenden übernehmen dabei alles selbst: Konzept, Planung, Entwicklung, Produktion, Finanzierung und Kommunikation. ?In den ersten beiden Jahren des Bachelorstudiums absolvieren die Studierenden s?mtliche Pflichtf?cher. So haben sie im dritten Studienjahr genug Basiswissen, um ein Fokus-Projekt umzusetzen?, erkl?rt Alexander Hernández Oendra, Lehrspezialist am Departement.

Auch Zeilinger best?tigt das: Erst beim Entwickeln eines funktionierenden Systems werde deutlich, wie Sensorik, Mechanik, Steuerung und Software ineinandergreifen müssen. Für viele Studierende ist das Fokus-Projekt die erste konkrete Erfahrung mit Forschung und Entwicklung.

Projektmanager Sheridan erinnert sich gut an die intensive Anfangsphase, als sich das Team finden und eine gemeinsame Mission definieren musste. Schon bald zeigte sich, welche Ideen zu komplex waren. Das Team lernte, Priorit?ten zu setzen, Arbeitspakete zu strukturieren und die eigenen Ambitionen mit den verfügbaren Ressourcen in Einklang zu bringen. Was von diesem Jahr bleibt, ist nicht nur ein funktionierender Prototyp, sondern vor allem das gemeinsame Erlebnis.

Roboter auf Mission

Titelblatt Globe 25/04

Dieser Text ist in der Ausgabe 25/04 des ETH-????Magazins Globe erschienen.

Download Ganze Ausgabe lesen (PDF, 4.2 MB)

Praktisches Ingenieurdenken

Beim Swarm-Projekt konzentrierten sich die Studierenden auf die Kernfragen der Unterwasserkommunikation, Lokalisierung und Systemkoordination. Schritt für Schritt entstand ein modulares Robotersystem. Ein Prozess, der Geduld, Ideenreichtum und gegenseitiges Vertrauen erforderte.

Ein wichtiger Teil dieses Lernprozesses ist auch, Fehler zuzulassen. Zeilinger betont, dass Studierende erst dann begreifen, wie komplex technische Systeme sind, wenn sie an deren Grenzen stossen. Entscheidend sei, Ursachen zu verstehen und gezielt zu verbessern. Diese Iterationen bilden die Grundlage für praktisches Ingenieurdenken.

Hernández Oendra sieht darin den grossen Wert des Formats. Projekte wie Swarm vermittelten nicht nur Fachwissen, sondern auch die F?higkeit, komplexe Probleme zu strukturieren, Verantwortung zu übernehmen und im Team zu arbeiten. ?Die Studierenden zeigen immer eine hohe Motivation und Lernbereitschaft. Sie wachsen an ihren Aufgaben, fachlich wie pers?nlich?, führt Hernández Oendra aus.

Zeilinger erlebt oft, dass ehemalige Fokus-Projektmitglieder sp?ter zurückkehren. ?Wir sehen die Studierenden oft wieder, und das finde ich immer sch?n?, sagt sie. ?Einige bleiben mit uns verbunden, machen ihre Bachelor- oder Masterarbeit in unserer Gruppe. Das zeigt, wie nachhaltig die Erfahrung in den Fokus-Projekten ist.?

Auch Hernández Oendra beobachtet, dass die Wirkung weit über das Studium hinausgeht. ?Viele nehmen aus diesen Projekten mehr mit, als sie anfangs ahnen?, sagt er. ?Sie gehen danach mit einer anderen Haltung an neue Aufgaben heran und sind selbstbewusster, l?sungsorientierter und offener für Zusammenarbeit. Und genau das wollen wir mit dieser Form des Lernens erreichen.?

Fokus-Projekte

Seit über zwanzig Jahren gibt es das Lehr?format Fokus-Projekte am Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik der ETH Zürich. Im Frühling 2026 pr?sentieren achtzehn Teams die Prototypen, die sie in einem Jahr intensiver Projektarbeit entwickelt haben.

Fokus-Rollout

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert