«Kürzungen in der Wissenschaft treffen junge Studierende und Forschende direkt»
Am 1. Oktober 2025 versammeln sich Studierende und Forschende in Bern und Zürich zu Kundgebungen gegen die geplanten Kürzungen in Bildung, Forschung und Innovation. Lucie Kralickova und Arturo Winters von der Mittelbauvereinigung AVETH zeigen deren Folgen für Forscherinnen und Forscher auf.?
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Um den Bundeshaushalt in den kommenden Jahren zu entlasten, schl?gt der Bundesrat umfangreiche Kürzungen vor. externe Seite Dazu hat er in dieser Woche ein Entlastungspaket (EP 27) für die Jahre 2027 bis 2029 verabschiedet. Mit den beantragten externe Seite Kürzungen von nahezu 500 Millionen Franken pro Jahr ist der Bereich Bildung, Forschung und Innovation (BFI) stark von diesen Entlastungsmassnahmen betroffen. Sie treffen Hochschulen, Forschungsinstitutionen sowie F?rderorganisationen wie den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und Innosuisse direkt.
Für den ETH-Bereich – zu dem ETH Zürich, EPFL, PSI, WSL, Eawag und Empa geh?ren – hat dieses externe Seite Entlastungspaket j?hrlich Kürzungen von 78 Millionen Franken für die Jahre 2027 bis 2029 zur Folge. Das Paket wird nun im Parlament beraten.
Aufgrund der geplanten Budgetkürzungen rufen der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) und die schweizerische Mittelbauvereinigung Actionuni, die Doktorierende und Postdocs vertritt, zu einer nationalen Demonstration am 1. Oktober 2025 auf. Die Aktion gliedert sich in zwei Teile: Am Vormittag finden regionale Veranstaltungen statt – in Zürich auf dem Helvetiaplatz. Am Nachmittag folgt eine nationale Kundgebung auf dem Bundesplatz in Bern (Details siehe in der Infobox weiter unten). Die Demonstration findet just vor der Parlamentsdebatte über das vorgeschlagene Entlastungspaket statt.
An der ETH Zürich sind der Verband der Studierenden (VSETH) und die Vereinigung des akademischen Mittelbaus (AVETH) aktiv an der Organisation der Demonstrationen beteiligt. Ihre Kritik richtet sich unter anderem gegen die geplante Erh?hung der Studiengebühren sowie gegen die Auswirkungen der Budgetkürzungen auf den Arbeitsalltag und die Karriereperspektiven von Studierenden, Doktorierenden und Forschenden. Zu den Organisator:innen z?hlen die beiden AVETH-Co-Pr?sident:innen Lucie Kralickova (Molecular Systems Biology Group, D-BIOL) und Arturo Winters (Soft Matter Group, D-MATL).
Was st?rt Euch an den vorgesehenen Kürzungen im BFI-Bereich?
Arturo Winters: Eine verl?ssliche, langfristige Finanzierung ist die Grundlage des wissenschaftlichen Fortschritts und der Innovation. Die St?rke der Schweiz in Bildung und Forschung beruht auf dieser Stabilit?t, die es Institutionen wie der ETH Zürich erm?glicht, vorausschauend zu planen und qualitativ hochstehende Forschung zu unterstützen. Die Sparmassnahmen des Bundes setzen den Bildungs-, Forschungs- und Innovationsbereich jedoch erheblich unter Druck. externe Seite Allein in diesem Jahr wurden bereits 200 Millionen Franken gekürzt, ab dem kommenden Jahr sollen j?hrlich weitere 100 Millionen folgen. Hinzu kommt das Entlastungspaket EP27 mit zus?tzlichen externe Seite Kürzungen von 78 Millionen Franken pro Jahr – das sind rund drei Prozent des Budgets im ETH-Bereich. Diese Massnahmen erh?hen den Druck auf unsere Arbeit und schr?nken die Flexibilit?t der langfristigen Forschungsplanung im ETH-Bereich deutlich ein.
Lucie Kralickova: Weniger finanzielle Flexibilit?t bedeutet konkret, dass weniger Mittel zur Verfügung stehen, um Vertr?ge mit Forschenden zu verl?ngern oder dringend ben?tigte Forschungsinfrastruktur zu finanzieren. Die Stabilit?t, die es der Schweiz bislang erm?glicht hat, Talente aus aller Welt anzuziehen und exzellente Forschung zu betreiben, wird nun eingeschr?nkt. Was mich jedoch über die unmittelbaren Auswirkungen hinaus besonders besch?ftigt, ist das Signal, das von diesen Kürzungen ausgeht: Bildung, Forschung und Innovation verlieren offenbar an politischer Priorit?t. Gerade in einer Zeit, in der wissenschaftliche Erkenntnisse und evidenzbasierte Entscheidungen weltweit zunehmend gefordert sind, ist es umso wichtiger, eine stabile Unterstützung aufrechtzuerhalten.
Was bewegt euch dazu, dass Ihr euch gegen die geplanten Kürzungen und für eine stabile Forschungsfinanzierung engagiert?
Lucie Kralickova: In den Debatten über die Finanzierung von Bildung, Forschung und Innovation stehen oft Institutionen und Strukturen im Vordergrund. Dabei werden die Menschen, die direkt betroffen sind, h?ufig übersehen. Die geplanten Kürzungen in der Wissenschaft treffen Studierende, Doktorierende und junge Forschende direkt: Sie beeinflussen den Arbeitsalltag, die Karrierechancen und das pers?nliche Wohlbefinden. Deshalb erheben wir unsere Stimme und setzen uns mit Nachdruck für eine stabile Forschungsfinanzierung ein. Nur so kann die Wissenschaft weiterhin Erfolg haben und k?nnen Forschende unter fairen und sicheren Bedingungen arbeiten.
Arturo Winters: Die Forschungsfinanzierung des Bundes war bislang grosszügig und hat wesentlich zum internationalen Ruf der Schweizer Wissenschaft beigetragen. Sie erm?glicht es Institutionen wie der ETH Zürich und dem Schweizerischen Nationalfonds, Nachwuchsforschende gezielt zu f?rdern – sowohl in ihrer beruflichen als auch pers?nlichen Entwicklung. Nun werden F?rderprogramme für Doktorierende und junge Forschende gekürzt sowie deutlich weniger Antr?ge bewilligt. Darunter leidet nicht ein abstraktes System, sondern reale Menschen, Studierende und Forschende, deren Arbeit die Innovationen von morgen erm?glicht.
Wie wirken sich die geplanten Budgetkürzungen auf ETH-Forschende aus, die am Anfang ihrer Laufbahn stehen?
Arturo Winters: Die meisten Doktorierenden und Nachwuchsforschenden arbeiten mit befristeten Vertr?gen, die bereits heute berufliche und pers?nliche Unsicherheit mit sich bringen. Die geplanten Kürzungen verringern die Flexibilit?t, um Vertr?ge zu verl?ngern oder neue Stellen zu finanzieren – und damit erh?hen sie den Druck auf jene, deren Arbeit wissenschaftlichen Fortschritt erm?glicht.
Lucie Kralickova: Budgetkürzungen in der Wissenschaft treffen oft die Schw?chsten am h?rtesten. Nachwuchsforschende bringen zumeist gleichzeitig Lehre, Laborarbeit, Publikationen, F?rderantr?ge und Betreuung unter einen Hut. Wenn die Ressourcen und das Personal weiter reduziert werden, steigt ihre Arbeitsbelastung – mit spürbaren Folgen für das Wohlbefinden und die langfristige Qualit?t der Forschung.

Welche Auswirkungen haben die Kürzungen auf die Chancen und die Mobilit?t von Studierenden und Forschenden?
Arturo Winters: externe Seite Laut Bundesrat sollen h?here Studiengebühren einen Teil der Kürzungen auffangen. Vorgesehen ist eine Verdopplung der Gebühren für Schweizer Studierende und eine Vervierfachung für internationale Studierende – das sind 1460 beziehungsweise 5840 Franken pro Semester. Solche finanziellen Hürden erschweren den Zugang zur Hochschulbildung unn?tig und verringern den Talentpool für Wissenschaft und Wirtschaft. Positiv ist immerhin, externe Seite dass der Bund im Juni entschieden hat, die geplanten Kürzungen bei der internationalen Studierendenmobilit?t im Zusammenhang mit Erasmus+ nicht umzusetzen. Das hilft, um weiterhin Auslandserfahrungen zu erm?glichen, ein pers?nliches Netzwerk aufzubauen und Wissen in die Schweiz zurückzubringen.
Lucie Kralickova: Für Nachwuchsforschende ist die Lage unsicherer. Die internationale Mobilit?t von Doktorierenden und Postdoktorierenden ist gef?hrdet, externe Seite da der Schweizerische Nationalfonds mitteilte, dass er bei einer Budgetkürzung in der Projekt- und Karrieref?rderung deutlich weniger Gesuche bewilligen würde. Das würde ihre M?glichkeiten für internationale Erfahrung, Kooperationen und Karriereentwicklung unmittelbar einschr?nken. Zudem setzen Kürzungen bei den Mobilit?tsstipendien den internationalen Austausch aufs Spiel, der wesentlich ist für die Qualit?t und Innovationskraft der Schweizer Wissenschaft.
Was ist Ihr Ziel für die Demonstration am 1. Oktober?
Lucie Kralickova: Wir m?chten, dass die Stimmen der direkt Betroffenen – also der Studierenden, Doktorierenden und Forschenden – sowohl von der Politik als auch von der ?ffentlichkeit geh?rt werden. Es ist entscheidend, dass gesellschaftliche und politische Entscheidungstr?ger die konkreten Auswirkungen der Budgetkürzungen auf den Alltag und die Zukunftsaussichten dieser Menschen verstehen.
Welche Botschaft richtet ihr an die Bev?lkerung?
Arturo Winters: Die ETH Zürich bildet die n?chste Generation von Wissenschaftler:innen, Ingenieur:innen und Innovator:innen aus. Kürzungen bei Bildung und Forschung führen zu weniger Stellen, geringerer Forschungsleistung und schw?cherer Innovationskraft. Langfristig untergr?bt das die globale Wettbewerbsf?higkeit der Schweiz. Langfristige und verl?ssliche Investitionen in die Menschen, die die Grundlagenforschung und Innovation vorantreiben, bringen dauerhafte Vorteile für Wirtschaft, Wohlstand und Gesellschaft.

Wer soll sich Ihnen am 1. Oktober auf dem Helvetiaplatz und dem Bundesplatz anschliessen?
Arturo Winters: Alle Studierenden, Doktorierenden, Forschenden und Mitarbeitenden der ETH Zürich sind herzlich eingeladen, am 1. Oktober teilzunehmen und gemeinsam ein klares Zeichen zu setzen – für gute Bedingungen in Bildung und Forschung und für eine starke, zukunftsf?hige Wissenschaft.
Wie kann sich die ETH-Gemeinschaft einbringen?
Lucie Kralickova: Zun?chst einmal: Kommen Sie zur Demonstration. Darüber hinaus freuen wir uns, wenn Sie mit uns bei der Organisation oder der Vermittlung wissenschaftlicher Anliegen mitwirken wollen. Wem das zu viel ist, kann auf einfache und zugleich wirkungsvolle Weise beitragen: sprechen Sie mit Freund:innen, Familie und Ihrer Gemeinschaft über die Wissenschaft und warum sie wichtig ist. Solche allt?glichen Diskussionen spielen eine grosse Rolle, um das Vertrauen in Wissenschaft und Bildung zu wahren. Am Ende geh?rt es zu unserer Verantwortung als Forschende, uns zu engagieren – jeweils auf die Weise, die uns m?glich ist.
Weitere Informationen
Der Aktionstag gegen nationale Sparmassnahmen in Bildung und Forschung findet am 1. Oktober 2025 ab 17:00 Uhr auf dem Bundesplatz in Bern statt.
Die lokale Demonstration in Zürich beginnt am selben Tag um 12:30 Uhr auf dem Helvetiaplatz. Weitere Informationen finden Sie in diesem Download Flyer (PDF, 2.8 MB).
externe Seite In Basel findet die lokale Aktion am 1. Oktober 2025 von 12:15 bis 13:15 Uhr im Auditorium des Kollegienhauses statt, im Anschluss gibt es ein gemeinsames Pizza-Mittagessen.
Details zur Veranstaltung in Basel
Hintergrundinformationen zur Demonstration stellt Actionuni der Schweizer Mittelbau bereit – der nationale Dachverband der Mittelbauvereinigungen und Nachwuchsforschenden (inkl. AVETH): externe Seite Aktionstag am 1. Oktober 2025.
Weitere Informationen zur Demonstration und zu den geplanten Studiengebührenerh?hungen hat der externe Seite Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS-UNES-USU) zusammengestellt, dem auch VSETH angeh?rt: Weitere Informationen finden Sie unter externe Seite Studiengebühren verdoppeln?
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