«Unternehmensgründerinnen und -gründer sollen positiv auf ihre Erfahrung mit der ETH zurückblicken»
Die Schulleitung hat zwei Reglemente verabschiedet, die Firmengründer:innen aus der ETH noch besser unterstützen sollen. Sie sollen die Dienstleistungen transparenter machen sowie die Prozesse klar aufzeigen, die es zu beachten gilt, sagen Vanessa Wood, Frank Floessel und Beat Weibel im Interview.
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Die Schulleitung hat ein neues Unternehmensgründungsreglement sowie Beteiligungs- und Lizensierungsrichtlinien verabschiedet. Die beiden Reglemente traten am 10. Juli in Kraft. Sie ersetzen die bisherigen Spin-off-Richtlinien. Im Interview erkl?ren Vanessa Wood, Vizepr?sidentin für Wissenstransfer und Wirtschaftsbeziehungen, Frank Floessel, Leiter von ETH Entrepreneurship, und Beat Weibel, Leiter von ETH transfer, welche ?nderungen die neuen Regulatorien mit sich bringen und welche Ziele sie damit verfolgen.
Vanessa Wood, was sind die wichtigsten ?nderungen, die Firmengründerinnen und -gründer an der ETH neu berücksichtigen müssen?
Vanessa Wood: Es gibt zwei wichtige ?nderungen. Erstens legen wir klare Prozesse für die Gründung eines Unternehmens durch ETH-Angeh?rige fest. Im Falle eines ETH-Spin-offs, also eines Unternehmens, das auf Forschungsergebnissen der ETH basiert, müssen die Gründerinnen und Gründer ETH transfer kontaktieren. Es geht darum zu kl?ren, welche geistigen Eigentums- und Verwertungsrechte sie ben?tigen und sich über die Nutzungsbedingungen zu einigen. Zweitens haben wir ein neues Label für ?ETH Start-ups? eingeführt. Das sind Unternehmen, die nicht auf ETH-Forschung basieren, sondern auf skalierbaren Gesch?ftsideen von ETH- Angeh?rigen. Wir m?chten diese Unternehmen, die oft von Studierenden gegründet werden, anerkennen und ihnen die M?glichkeit bieten, von den Entrepreneurship-Angeboten der ETH zu profitieren.

?Wenn die Gründerinnen und Gründer mit allen notwendigen Dokumenten zu uns kommen, sollte das Spin-off in sechs bis acht Wochen startklar sein. ?Frank Floessel![]()
Bleiben wir zun?chst bei den Spin-offs. Wie schnell geht es im Idealfall von der ersten Kontaktaufnahme bis zur Gründung?
Frank Floessel: Wenn es um eine Standardgründung geht und es keine speziellen juristischen Abkl?rungen braucht, kann ein Expresspfad eingeschlagen werden. Dieser Pfad bietet drei vordefinierte Optionen für die Lizenzierung von Patentrechten, aus denen der Gründer w?hlen kann, sowie die M?glichkeit, Software-Rechte, Daten oder Prototypen von der ETH zu erwerben. Wenn die Gründerinnen und Gründer mit allen notwendigen Dokumenten zu uns kommen, sollte das Spin-off in sechs bis acht Wochen startklar sein.
Und wann geht es l?nger?
Beat Weibel: Sobald die IP-Fragen komplizierter sind, weil beispielsweise auch Drittparteien beteiligt sind, oder zus?tzlich noch eine Firma in den USA gegründet werden soll. Bei solchen Vertragsverhandlungen ist ETH transfer, also mein Team, gefordert.
Jungfirmen profitieren von verschiedenen Unterstützungsmassnahmen. In den Richtlinien ist vom ?kosystem für Unternehmertum E3 (ETH Entrepreneurship Ecosystem) die Rede. Was ist darunter zu verstehen?
Wood: ?E-hoch-3“ bezeichnet alle verschiedenen Angebote der ETH für Gründer und ihre Unternehmen im Bereich Entrepreneurship. Dazu geh?ren günstige Konditionen für die Nutzung von Büro- und Laborr?umen und Infrastruktur, Zugang zu Entrepreneurship-F?rderprogrammen, die sowohl zentral vom Team von Frank bei ETH Entrepreneurship als auch dezentral, beispielsweise von den Centers der ETH, angeboten werden, sowie Schulungsprogramme und Veranstaltungen mit Investoren. Unser Ziel ist es nicht, alle Programme zu verwalten, sondern sie virtuell zu bündeln, um der ETH-Community die dringend ben?tigte Transparenz über das Angebot zu verschaffen und einheitliche Bedingungen innerhalb der ETH zu gew?hrleisten.
Neu sollen auch Start-ups von diesen Leistungen profitieren k?nnen. Welche ?berlegungen haben zum ETH-Start-up-Label geführt?
Floessel: Wer an der ETH nach dem Studium eine Firma gründete, erhielt bisher kaum Unterstützung von der ETH. Mit dem neuen Start-up Label haben wir die Grundlage geschaffen, dass auch diese Firmen vom ?kosystem der ETH profitieren k?nnen.
Kann jede und jeder ETH-Angeh?rige das Start-up-Label beantragen?
Wood: Ja, sowohl von ETH-Studierenden als auch von ETH-Mitarbeitenden gegründete Unternehmen k?nnen sich für das Start-up-Label bewerben. Wir suchen Unternehmen mit einem klaren Bezug zur ETH und einem skalierbaren Gesch?ftsmodell. GetYourGuide oder Doodle sind Beispiele für Unternehmen, die bei einer Gründung heute für das Start-up-Label in Frage k?men. Eine Pizzeria oder eine Beratungsfirma würden das Start-up-Label nicht erhalten.
Wird es gelingen, der breiten ?ffentlichkeit die Unterscheidung zwischen Spin-offs und Start-ups zu vermitteln?
Weibel: Im Prinzip ergibt sich die Unterscheidung aus dem Namen. Bei einem ETH-Spin-off nimmt man Forschungsergebnisse der ETH und gründet darauf aufbauend ein Unternehmen. Ein ETH-Start-up ist ein beliebiges Jungunternehmen eines ETH-Angeh?rigen. Doch im Alltag werden die Begriffe oft als Synonyme gebraucht.

?Um uns mit anderen Universit?ten vergleichen zu k?nnen, ist es wichtig, dass wir sowohl Spin-offs als auch Start-ups zusammenz?hlen und zwischen ihnen unterscheiden k?nnen.?Vanessa Wood![]()
Wood: Letztendlich sind sowohl Spin-offs als auch Start-ups Unternehmen, die aus ETH-Angeh?rigen und ihren Ideen hervorgegangen sind. Wenn die ?ffentlichkeit die beiden Begriffe verwechselt, ist das also kein Problem. Wir sind stolz auf alle unsere Unternehmen. Um uns jedoch mit anderen Universit?ten vergleichen zu k?nnen, ist es wichtig, dass wir sowohl Spin-offs als auch Start-ups zusammenz?hlen und zwischen ihnen unterscheiden k?nnen.
Für die Leistungen nimmt die ETH bei Spin-offs einen Kapitalanteil, in der Regel zwei Prozent. Welche ?berlegungen führen zu diesen Beteiligungen?
Wood: Die Gründerinnen und Gründer von ETH Spin-offs profitieren vom Wissen und der Erfahrung, die sie w?hrend ihrer Zeit im Forschungsteam der ETH sammeln, sowie von der Unterstützung, die die ETH ihren Spin-offs bietet. Es ist nur fair, dass die ETH etwas zurückbekommt, wenn die Unternehmen erfolgreich sind.
Weibel: Zwei Prozent sind sowohl im internationalen Vergleich als auch mit Blick auf die anderen Institutionen des ETH-Bereichs, sehr moderat. Es gibt viele Universit?ten, die fünf oder zehn Prozent verlangen.
Wood: Es ist auch wichtig zu beachten, dass die zwei Prozent der Basiswert ist, den wir anwenden. Ein Spin-off, das geistige Eigentumsrechte von der ETH lizenzieren oder erwerben muss, kann dies im Austausch gegen Unternehmensanteile tun, da Unternehmen in der Frühphase in der Regel über wenig liquide Mittel verfügen. Bei der Expressoption für die Patentlizenzierung k?nnen die Gründerinnen und Gründer w?hlen, ob der Eigenkapitalanteil h?her ausf?llt und sie dafür niedrigere Lizenzgebühren bezahlen oder nur die zwei Prozent Eigenkapital abgeben, dafür aber h?heren Lizenzgebühren verrichten. Wenn ein Unternehmen an einem von der ETH durchgeführten Programm zur F?rderung des Unternehmertums teilnimmt, beispielsweise einem Inkubator, bei dem es zus?tzliche finanzielle und Sachleistungen erh?lt, kann es sein, dass die ETH einen weiteren Eigenkapitalanteil übernimmt. Zentral ist, dass dies nun transparent festgehalten ist, sodass zukünftige Gründer und Investorinnen darüber informiert sind.
Neu wird auch geregelt, wie sich Professorinnen und Mitarbeiter an Spin-offs beteiligen k?nnen. Weshalb braucht es diese Regeln?
Wood: Wir m?chten, dass unsere Regeln den Branchennormen entsprechen. Der Anteil am Unternehmenskapital, den ein Mitbegründer erh?lt, sollte sich nach seiner Rolle im Unternehmen richten. Als wissenschaftlicher Berater erh?lt ein Professor m?glicherweise einen einstelligen Anteil am Unternehmenskapital. Wenn der Professor am Aufbau des Unternehmens beteiligt ist, ist ein h?herer Anteil angemessen. Unser neuer Prozess sieht vor, dass das Team der zukünftigen Gründerinnen und Gründer frühzeitig Gespr?che über die H?he der Anteile führt, wobei die Best-Practice-Empfehlungen als Leitfaden dienen sollen. Kurz: Wir haben strenge Beschr?nkungen für die Beteiligung von Professorinnen und Professoren aufgehoben und bitten sie stattdessen, in ihrer Bewerbung klar darzulegen, welche Rolle und welchen Anteil sie erhalten werden und wie sie Interessenkonflikte und Verpflichtungskonflikte vermeiden oder mindern werden.

?Das Thema Interessenskonflikt müssen wir sehr ernst nehmen. Und hier sind die neuen Regeln mit dem Bewilligungsprozess meines Erachtens deutlich griffiger, als es die früheren Vorschriften waren.?Beat Weibel![]()
Weibel: Das Thema Interessenskonflikt müssen wir sehr ernst nehmen. Und hier sind die neuen Regeln mit dem Bewilligungsprozess meines Erachtens deutlich griffiger, als es die früheren Vorschriften waren. Wir befassen uns jetzt viel intensiver mit Fragen wie: Ist die Freiheit von Forschung und Lehre gef?hrdet? Werden sich die Aktivit?ten auf Drittmittel oder die Zusammenarbeit mit der Industrie auswirken? Müssen Massnahmen für die Betreuung von Studenten ergriffen werden?
Die neuen Regeln treten per sofort in Kraft. Welche Auswirkungen erwarten Sie?
Wood: Ich hoffe, dass Unternehmensgründerinnen und -gründer in Zukunft positiv auf ihre Erfahrungen mit der ETH zurückblicken werden. Als ich meine T?tigkeit als Vizepr?sidentin aufnahm, erhielt ich von internen und externen Stakeholdern das Feedback, dass die Regeln für Spin-offs unklar waren und nicht einheitlich angewendet wurden. In den letzten zwei Jahren haben wir mit vielen Studierenden, Forschenden, Professorinnen, ehemaligen Gründern, Investorinnen und Anwaltskanzleien zusammengearbeitet, um Vorschriften und Prozesse zu entwickeln, die für Unternehmensgründerinnen, ihre Investoren und die ETH funktionieren sollten. Wir m?chten, dass unsere Unternehmer das Gefühl haben, dass die ETH sie in der Anfangsphase ihrer Karriere unterstützt. Wir hoffen, dass sie nach ihrem Erfolg stolz zurückkehren, um ihre Erfahrungen mit der n?chsten Generation zu teilen.
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