
Olivier Bachmann, würden Sie Ihre Herbstferien im Golf von Neapel verbringen?
Die Erde im Golf von Neapel ist geologisch sehr aktiv. Olivier Bachmann, Professor für Vulkanologie und magmatische Petrologie, sch?tzt die verschiedenen Naturgefahren ein – vom Supervulkan bis zum Erdbeben.
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?Ich bin Vulkanologe und weiss natürlich um die Naturgefahren in der Region um Neapel. Aber für mich sind die aktuellen geologischen Vorkommnisse kein Grund, diese sch?ne und wissenschaftlich spannende Region Italiens nicht zu besuchen. Ich war schon mehrmals da und ich werde mit Sicherheit wieder hinfahren.
Ja, die Erde ist unruhig und es kursieren verschiedene Berichte über einen m?glichen Ausbruch eines Supervulkans von zerst?rerischem Ausmass. Wir wissen, dass sich im Golf von Neapel unterhalb der Phlegr?ischen Felder Magma befindet, denn mit geophysikalischen Methoden k?nnen wir das Erdinnere untersuchen. Die Bilder sind zwar nicht scharf, aber eindeutig genug. Ausserdem treten an der Oberfl?che vulkanische Gase aus und es kommt regelm?ssig zu Bodenverformungen und Erdbeben.
Der Experte
Olivier Bachmann ist Professor für Vulkanologie und magmatische Petrologie am Departement Erd-? und Planetenwissenschaften der ETH Zürich. Er wollte schon als kleiner Junge Vulkanforscher werden.
Magma ist also mit Sicherheit vorhanden und damit grunds?tzlich auch die Gefahr einer Eruption. Das Problem ist, dass wir nicht genau wissen, wie viel ?ausbrechbares Magma? – also flüssiges Magma, das nur wenig auskristallisiert ist – es in der Magmakammer zu diesem Zeitpunkt unter dem Golf von Neapel gibt. In den Phlegr?ischen Feldern sind in der Vergangenheit sehr grosse Mengen an Magma in einer einzigen Eruption ausgebrochen, aber wir k?nnen zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorhersagen, wann der n?chste sogenannte ?Superausbruch? kommen wird. Ein solches Ereignis ist statistisch gesehen ganz selten und ich erwarte es nicht in den n?chsten Jahrzehnten oder sogar Jahrtausenden. Aber langfristig sind Superausbrüche ein riesiges Problem für die vier Millionen Menschen, die aktuell in dieser Zone wohnen.
Weil Superausbrüche so seltene Ereignisse sind, fehlen uns Daten auf deren Basis wir genauere zeitliche Voraussagen machen k?nnen. Kleinere Vulkanausbrüche hingegen sind viel h?ufiger. Im Golf von Neapel kommen sie alle paar Jahrhunderte vor; der letzte fand vor gut 500 Jahren statt.
Ob kleine oder grosse Eruption: Einen Vulkanausbruch l?sst sich normalerweise dank Monitoring ein paar Tage oder gar Wochen vor Ausbruch voraussagen. Wenn Magma im Erdinnern hochsteigt, ist das messbar, und zwar bevor sie an der Erdoberfl?che austritt. Weil es viele Regionen mit aktiven Vulkanen gibt, zum Beispiel auf den Kanarischen Inseln, Island, oder Hawaii, haben wir zahlreiche empirische Daten w?hrend des Zeitfensters eines unmittelbar bevorstehenden Ausbruchs. Diese Daten lassen sich auf andere Gebiete übertragen und sind deshalb sehr wertvoll für die Voraussage. Diese M?glichkeiten der ?berwachung stimmen mich zuversichtlich, dass Bev?lkerung und Ferieng?ste im Ernstfall rechtzeitig gewarnt und im Prinzip auch evakuiert werden k?nnten.
Anders sieht die Situation bei einer weiteren Naturgefahr der Phlegr?ischen Felder aus: den Erdbeben. Eine Voraussage ist schwierig, die Wahrscheinlichkeit relativ hoch. Kleinere Erdbeben gibt es jeden Tag. Ich erwarte ein folgeschweres Erdbeben mit einer Magnitude gr?sser als vier oder fünf in den n?chsten Jahrzehnten. Bebt die Erde am Meeresgrund, besteht sogar die Gefahr eines Tsunamis. An Land kann es aufgrund der Topografie zu Bergstürzen kommen, die zus?tzliche Zerst?rung bringen k?nnen. Obwohl diese Art der Naturgefahr unberechenbar ist, ist für mich pers?nlich das Risiko vertretbar, im Golf von Neapel Feldforschung oder Ferien mit meiner Familie zu machen. Ich bin kein leichtsinniger Mensch, aber ein Null-Prozent-Risiko für Gefahren, welcher Art auch immer, gibt es nicht – weder in Neapel noch in Zürich.?
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